Psychotherapie – ein kleiner Wegweiser
Vorab
Eine “normale” ärztliche Behandlung kennt jedeR aus eigener Erfahrung; anders Psychotherapie bzw. der erste Besuch bei Psychotherapeuten.
Wir möchten Sie deshalb vorab informieren und Ihnen hiermit einen kleinen Leitfaden an die Hand geben.
Die einzelnen Kapitel lassen sich durch Anklicken des + Symbols öffnen.
Grundsätzliches
Nicht zuletzt angesichts der immer unsicherer werdenden Arbeitswelt und anderer gesellschaftlicher Veränderungen erkranken immer mehr Menschen auch an psychischen Krankheiten (z.B. Depressionen oder Angsterkrankungen).
Die meisten haben Verständnis für ein stressbedingtes Magengeschwür; psychisch Erkrankte hören aber immer noch Sätze wie “Stell Dich nicht so an, reiß Dich zusammen”. Viele betrachten es immer noch als persönliches Versagen, psychisch krank zu werden. Mangelnde Aufklärung, Vorurteile und Ängste führen oft zu unnötigem Leiden, später Behandlungseinleitung und damit der Gefahr von Chronifizierungen. Dabei sind viele psychische Erkrankungen heute gut und effektiv behandel- und heilbar.
Deshalb als ersten Rat:
Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie eine psychotherapeutische Fachbehandlung benötigen sprechen sie offen darüber z.B. mit Ihrem Hausarzt und/oder vereinbaren einen Termin zur psychotherapeutischen Sprechstunde. Dabei wird Ihr persönlicher Behandlungsbedarf abgeklärt und Sie erhalten Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise.
Methoden
Wenn Sie eine ambulante psychotherapeutische Fachbehandlung einleiten möchten kommt es zunächst darauf an, die richtige Praxis für eine effektive Behandlung zu finden. Aber worauf sollten und können Sie dabei vorab achten?
Im Bereich der ambulanten Psychotherapie Erwachsener gibt es zur Zeit 3 gesetzlich zugelassene Behandlungsverfahren:
- Psychoanalyse,
- tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und
- Verhaltenstherapie
Diese Verfahren unterscheiden sich in ihren Grundannahmen zur Entstehung psychischer Erkrankungen und damit auch in den daraus abgeleiteten Behandlungsmethoden.
Abhängig von Ihrer konkreten Krankheit und der zugrunde liegenden Krankheits- bzw. Lebensgeschichte ist deshalb das eine oder andere Verfahren für Sie effektiver. Lassen Sie sich beraten, welche Methode für Sie in Frage kommt.
Schließlich sollten Sie sich auch überlegen, ob Sie die Behandlung bei einem Mann oder einer Frau durchführen möchten oder ob das für Sie keine Rolle spielt.
Berufsbilder
Viele psychische Erkrankungen sind heute gut und effektiv zu behandeln. Der Weg zu einer qualifizierten ambulanten Behandlung wird aber leider schon zu Beginn durch verwirrende Berufsbezeichnungen erschwert (aufgrund berufspolitischer und geschichtlicher Hintergründe). Der Blick in die ´Gelben Seiten´ hilft dabei auch nicht wirklich weiter. Also:
Wer kann was – und auch, wer darf was?
(der Vereinfachung halber beschränken wir uns auf die ambulante Behandlung Erwachsener)
Vorab: 1999 hat der Gesetzgeber im so genannten “Psychotherapeutengesetz” erstmals die Berufsbezeichnung “Psychotherapeut” geschützt und geregelt, wer zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen psychotherapeutische Behandlungen durchführen darf.
Psychotherapeutische Behandlungen Erwachsener auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherungen dürfen sowohl entsprechend ausgebildete und zugelassene Ärzte als auch Psychologen durchführen. Über ihren jeweiligen “Grundberuf” hinaus haben sie jeweils teilweise langjährige gesetzlich geregelte Zusatzausbildungen absolviert und sind zur Ausübung ihres Berufes von den jeweiligen kassenärztlichen Vereinigungen zugelassen worden. Diese Titel geben Ihnen eine Grundsicherheit, dass “Ihr” Behandler eine fundierte langjährige Ausbildung durchlaufen hat.
Die Berufsbezeichnungen:
Ärztlicher Psychotherapeut
Grundberuf Arzt; hat darüber hinaus eine entsprechende fachärztliche Weiterbildung absolviert und ist damit bei der Kassenärztlichen Vereinigung approbiert – darf also psychotherapeutische Behandlungen mit gesetzlichen Krankenkassen abrechnen. Auf dem Praxisschild steht dann z.B.: Dr. med. Markus Mustermann, Facharzt für Allgemeinmedizin, – Psychotherapie -. Eine weitere Möglichkeit ist der so genannte Facharzt für “Psychotherapeutische Medizin”.
Psychologischer Psychotherapeut
Grundberuf Psychologe; hat darüber hinaus eine entsprechende 3- (bzw. berufsbegleitend 5-jährige) Zusatzausbildung absolviert und ist bei der Kassenärztlichen Vereinigung approbiert – darf also psychotherapeutische Behandlungen mit gesetzlichen Krankenkassen abrechnen. Auf dem Praxisschild steht z.B.: Dipl. Psychologe Markus Mustermann, Psychologischer Psychotherapeut.
Weitere ärztliche Berufsbilder zur Behandlung psychische Kranker, die jedoch keine Psychotherapie im o.g. gesetzlichen engeren Sinne ausüben (es sei denn, sie verfügen auch über die oben genannte Zusatzbezeichnung bzw. Facharzttitel):
Facharzt für Psychiatrie
Facharzt, der psychiatrische und psychische Erkrankungen von der körperlichen Seite her behandelt, also auch psychisch Kranke ggf. medikamentös behandelt und begleitet. Oft ist es sinnvoll eine kombinierte Behandlung durchzuführen (also z.B. die medikamentöse Einstellung durch den Facharzt durchführen zu lassen und parallel dazu eine psychotherapeutische Behandlung zu absolvieren).
Facharzt für psychosomatische Medizin
Facharzt, der auf psychische Faktoren zurückgehende körperliche Beschwerden behandelt.
Schließlich dürfen auch Heilpraktiker psychotherapeutisch tätig sein; sich jedoch nicht „Psychotherapeut“ nennen; aufgrund ihrer anderen Ausbildung nicht die o.g. Berufsbezeichnungen führen und nicht als Kassenärzte mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen. Auf den Türschildern finden Sie dann Bezeichnungen wie Markus Mustermann, “Heilpraxis für Psychotherapie” oder “Psychotherapie / HPG” (HPG = Heilpraktikergesetz).
Einen recht guten Überblick über die Berufsbilder, Zulassungen etc. bietet Ihnen die Website der Bundespsychotherapeutenkammer > www.bptk.de (externer Link)
Praxissuche
Nachdem Sie die vorherigen Kapitel durchgelesen haben sollten Sie die Berufsbezeichnungen nicht mehr übermäßig verwirren und Ihnen klarer sein, welches Psychotherapieverfahren voraussichtlich am Besten zu Ihnen ´passt´. So weit so gut; aber: Wie finden Sie nun ´Ihre´ Praxis?
Recherche Möglichkeiten
In der Regel können Ihnen Ihr Haus- oder Facharzt eine Liste der vor Ort zugelassenen Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellen. Oder Sie nutzen das Internet zur Recherche. Für unsere Region kommen dazu in Frage:
– Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe > externer link
– Teminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe > externer link
– Psychotherapeutenkammer NRW > externer link
– Übersicht der Stadt Schwerte > externer link
Wartezeiten
Die Situation ist abhängig von Ihrem Wohnort sehr unterschiedlich. Hier im Süd-Osten des Ruhrgebietes werden Sie wahrscheinlich nicht sofort einen Behandlungsplatz bekommen können. Hintergrund ist, dass die meisten Praxen unserer Region deutlich mehr Anfragen erhalten als sie Behandlungsplätze anbieten können.
In unserer Praxis: Wir erhalten deutlich mehr Anfragen als wir PatientInnen aufnehmen können. Informationen zu unserem Aufnahmeverfahren lesen Sie bitte hier .
Wir empfehlen
Vereinbaren Sie zunächst einen oder mehrere Termine zur psychotherapeutischen Sprechstunde; ggf. in mehreren Praxen. Machen Sie sich dabei einen ersten Eindruck.
Fragen Sie ggf. schon vorab, ob Ihnen über die Sprechstunde hinaus auch sofort oder zeitnah ein freier Behandlungsplatz angeboten werden kann… . Ziehen Sie grundsätzlich mehrere Praxen in die engere Wahl und bleiben hartnäckig!
Ablauf
Hier die wichtigsten Punkte, damit Sie sich den Ablauf einer ambulanten Psychotherapie besser vorstellen können. Informationen für Privatversicherte finden Sie am Ende dieser Seite.
Organisatorisches
Zu Ihrem ersten Termin bringen Sie bitte Ihre Versichertenkarte mit (privat Versicherte s.u. ). Eine Überweisung benötigen wir nicht zwingend (Psychologische Psychotherapeuten haben “Erstzugangsrecht” genauso wie Hausärzte). Ausnahme: Sie sind bei Ihrem Hausarzt in einen sogenannten Hausarztvertrag eingeschrieben – in diesem Fall müssen Sie uns bei jedem ersten Termin im Quartal eine Überweisung vorlegen.
Die psychotherapeutische Sprechstunde
Die psychotherapeutische Sprechstunde ist verpflichtend jeder weiteren Behandlungseinleitung vorgeschaltet.
Dabei wird zunächst Ihr individueller Behandlungsbedarf diagnostisch abgeklärt und besprochen. Sie erhalten eine erste Einschätzung und Empfehlung zur weiteren Behandlung; u.a.:
Ist eine Psychotherapie bei Ihnen notwendig? Falls ja, in welchem Setting (ambulant oder ggf. stationär / teilstationär)? Falls ambulant mit weiteren einleitenden probatorischen Sitzungen oder sollte sofort eine Akutbehandlung durchgeführt werden? Falls notwendig werden Sie auch auf alternative Beratungs- und Hilfemöglichkeiten hingewiesen. Die Praxis dokumentiert diese Behandlungsempfehlung und händigt Ihnen das Ergebnis schriftlich aus.
Vor Einleitung einer ambulanter Behandlung müssen Sie mindestens 50 Minuten (maximal 150 Minuten) Sprechstunde absolviert haben. Ausnahme: Sie waren vorher in stationärer oder teilstationärer Behandlung.
Probatorische Sitzungen
Wie bei jeder anderen ärztlichen Behandlung findet auch zu Beginn jeder Psychotherapie eine gründliche Untersuchung statt. Wir bemühen uns dabei gemeinsam, Ihre Erkrankung in Ihrer Entstehung und Aufrechterhaltung zu verstehen. Im Anschluss wird ein Behandlungsplan erstellt und besprochen; erst dann kann die die eigentliche Behandlung eingeleitet und beantragt werden. Prüfen Sie in dieser Phase gut die „Passung“: Passt die Chemie miteinander; fühlen Sie sich fachlich gut aufgehoben?
Zur weiteren Behandlungseinleitung (s.u.) müssen Sie übrigens mindestens 2 (maximal 4) dieser probatorischen Sitzungen a 50 Minuten wahrnehmen.
Akutbehandlung
Die Notwendigkeit einer Akutbehandlung muss in der eingangs durchgeführten Sprechstunde bei Ihnen festgestellt worden sein. Sie dient allein der Besserung akuter psychischer Krisen- und Ausnahmezustände und soll zunächst kurzfristig weitere Fixierung und Chronifizierung Ihrer psychischen Symptomatik verhindern.
Pro sogenanntem ´Krankheitsfall´ (4 Quartale) dürfen übrigens nur maximal 12 Sitzungen a 50 Minuten dieser Akutbehandlung durchgeführt werden. Wird die Akutbehandlung später in eine ´normale´ ambulante Psychotherapie überführt werden die Stunden auf das Kontingent Ihrer Kurz- bzw. Langzeittherapie angerechnet.
Konsiliarbericht
Während der probatorischen Sitzungen muss bei Ihrem behandelnden Haus- oder Facharzt abgeklärt werden, ob auch körperliche Ursachen bei Ihrer psychischen Erkrankung eine Rolle spielen und mitbehandelt werden müssen. Ihr Arzt dokumentiert dies in einem Konsiliarbericht an uns, der dann zwingend für den späteren Antrag auf Psychotherapie erforderlich ist. Um all das kümmert sich Ihre psychotherapeutische Praxis normalerweise im Hintergrund.
Kurzzeit- / Langzeittherapie
Nach Durchführung der Probatorik und Einholung des Konsiliarberichtes können abhängig von Ihrer Erkrankung und Behandlungsplanung verschieden viele Sitzungen bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse beantragt werden.
Die so genannte Kurzzeittherapie (KZT) umfasst dabei zunächst maximal 12 Sitzungen (a 50 Minuten) und kann in einem 2. Schritt auf insgesamt maximal 24 Sitzungen erweitert werden. Eine Kurzzeittherapie muss bei Ihrer Krankenkasse beantragt werden, ist aber nicht gutachterpflichtig (s.u.).
Werden für einen stabilen Behandlungserfolg weniger Stunden benötigt – wunderbar. Andernfalls kann die bisherige Kurzzeittherapie mit max. 24 Sitzungen in eine Langzeittherapie (LZT) mit dann insgesamt 60 Sitzungen umgewandelt werden. Diese kann – falls notwendig – alternativ auch sofort nach der Probatorik beantragt werden. In jedem Falle muss dazu ein Gutachten von Ihrer Praxis erstellt werden. Ggf. schließt sich noch eine weitere Fortführung um weitere 20 Sitzungen auf dann insgesamt maximal 80 Sitzungen an.
Einen recht guten Überblick über die Möglichkeiten und Bewilligungsschritte finden Sie > hier
Hinweise für privat Versicherte
Private Versicherungen sind bekanntlich frei in der Gestaltung ihrer Versicherungsbedingungen und Tarife. Prüfen Sie also bitte zunächst Ihre Vertragsunterlagen, ob psychotherapeutische Behandlung mitversichert sind und bei wem Sie diese durchführen dürfen (einige wenige Versicherungen lassen immer noch nur ärztliche Psychotherapeuten als Behandler zu – warum entzieht sich unserem Intellekt). Die Beihilfe hat ähnliche Regelungen getroffen wie die gesetzlichen Krankenkassen (Probatorik, dann Antrag). Da die Verfahrenswege recht unterschiedlich sein können besprechen Sie die Einzelheiten am Besten persönlich mit uns bzw. Ihrer behandelnden Praxis.
Last not least
Genehmigungen gesetzlicher Krankenkassen für ambulante Psychotherapien sind an die jeweilige Praxis gebunden und i.d.R. nicht ´übertragbar´; Sie können also nicht problemlos wechseln. Nicht zuletzt auch deshalb sind die probatorischen Sitzungen zur Einschätzung der Zusammenarbeit so wichtig.